Halbe Herzen

Torlos II: Nach der Partie der Kölner gegen Stuttgart redet sich der „Bergdoktor“ seinen Patienten gesund

KÖLN taz ■ Das Schönste am kalten Nachmittag von Müngersdorf waren nach dem Duell von FC Halbherzig gegen VfB Hasenherzig die Zugaben. Giovanni Trapattoni bastelt zwar nach wie vor nur deutsche Einsprengsel in seine Reden, aber auch übersetzt haben es seine italienischen Erkenntnisse in sich: „Ich habe heute zwei Spiele gesehen. Das erste Spiel war die 1. Halbzeit, das zweite Spiel die 2. Halbzeit.“ Mit spitzbübischem Gesicht erklärte er die Nullnummer zum Erfolg, wusste aber auch Gründe für die Torlosigkeit: „Wir haben nicht einen solchen Schatz an Persönlichkeiten in der Mannschaft wie der FC Bayern.“ Und vor allem: „Ich kann den Ball nicht persönlich ins Tor bringen.“

Trainer müssen wohl eine gewisse Reife haben (hier 66 Jahre), um die Welt mit solchen Fußballweisheiten zu beglücken. Der andere Trainer ist Kölns neuer Übungschef Hanspeter Latour, 58, auch schon mit hellgrauem Schopf, spricht für einen Schweizer im Überschalltempo, fast so schnell wie er am Spielfeldrand mit Händen und Füßen 90 Minuten lang gestikuliert hatte als wäre er ein Taubstummen-Übersetzer. Auch der zweite Seniorencharmeur wollte über das Remis nicht traurig sein, hatte er doch in der 2. Hälfte etliche beste VfB-Chancen sehen müssen, darunter Gentners Innenpfostenkopfball. Ja, der VfB war gefährlicher, ein Grund hierfür: „Es gab viele Eckbälle von der Seite.“

Der FC hat in der Winterpause ein Schweizer Quartett zugekauft. Zwei neue Spieler (Streller, Cabanas), dazu Cotrainer und Trainer, den der Express „Bergdoktor“ nennt, weil er Heilung bringen soll. Gleichzeitig gibt sich Köln nun schwyzophil. Die Stadionzeitung spricht die Fans mit „Grüezi!“ an. Und am Sonntag headlinete der Sonntags-Express nach dem torlosen Festival der Erbärmlichkeiten: „Ein Pünktli Hoffnung.“

In Köln läuft ein Versuch in Kulturenmischung. Auch umgekehrt zeigen sich die Neuen gut assimiliert im FC-Umfeld, in dem jeder gelungene Querpass wie die unfallfreie Vorbeifahrt eines Rosenmontags-Wagens bejubelt wird. Latour tätschelt den Geißbock am Spielfeldrand und gibt den Takt vor im Schönreden: „Die Mannschaft bekommt langsam ein Gesicht.“

Cabanas war immerhin ein Ruhepol im defensiven Mittelfeld, ein Hoffnungsfunke im wackligen FC-Gebilde. Nur historisches Bewusstsein fehlt ihm noch: Er spüre, sagte er, dass „hier wirklich was entsteht“. Da lachten sehr viele sehr. Kölnkenner können abendfüllende Referate halten, wer das in der selbstbesoffenen Stadt nicht schon alles prophezeit hat. Bleiben wir bei den Fakten: Immerhin hat der FC am Samstag den vorletzten Platz verteidigt.

Fakt ist auch: Der FC trostlos bleibt das heimschwächste Team der Liga und ist seit Mitte September ohne Sieg. Lukas Podolski ist jetzt statt des Türken Özalan Alpay Kapitän, weil, so sein Trainer, „ich einen Spieler brauche, der die Sprache beherrscht, der gut kommunizieren kann“. Podolski, der traurig gehemmte Stadtprinz, tat das nonverbal: Die grüne Armbinde harmonierte gut mit seinen neuen Schuhen in saftigem Almengrün. Dem Fremdkörper unter lauter Nichtkapitänen gelangen ansonsten vier Fernschüsse, meist Richtung Fantribüne.

Richtig stark war dagegen eben jener Alpay. Er war in höherer Mission unterwegs. Mit Leibeskräften verteidigte er stellvertretend für Abermillionen Muslime den Islam gegen Stuttgarts Dänen Tomasson (kein Torschuss) und Gronkjaer. Heute muss Alpay nach Zürich zum Rapport bei der Fifa, nicht wegen antidänischer Umtriebe, sondern wegen seiner Ausraster beim Istanbuler Skandalspiel gegen die Schweiz, wo er seinem jetzigen Teamkameraden Streller saftig in den Hintern getreten hatte. Alpay macht sich keine Hoffnung: „Ich werde bestraft.“

BERND MÜLLENDER